Best-Practice-Beispiele
Hier erörtern wir für Sie im Detail fünf Beispiele, damit Sie sich einen Eindruck davon verschaffen können, wie wir konkret und ganz praktisch beraten und optimieren.
I. Vieldeutige Begriffe
Was das Unternehmen schreibt und was der Kunde versteht
Das Beispiel
Gleich auf der Startseite einer Firma fanden wir weiterführende Links, die so beschriftet waren:
Privatkunden Geschäftskunden Unternehmen
Die Frage
Was ist der Unterschied zwischen “Geschäftskunden” und “Unternehmen”? Die ca. 60 Versuchspersonen, die wir im Rahmen einer Untersuchung befragten, rätselten:
“Vielleicht besonders große Geschäftskunden”? usw.
Die Antwort
“Unternehmen” meint: “Unser Unternehmen” bzw. “Wir über uns”.
Fazit
Ein einziges Wort kann den Besucher einer Website verunsichern und führt im schlimmsten Fall zum Abbruch der Kommunikation (denn die Konkurrenz ist nur einen Klick weit entfernt).
II. Gestörte Kundenkommunikation I
Versprechen, die man macht, sollte man auch halten
Das Beispiel
In einem Anschreiben der Krankenversicherung hieß es:
Eine Nachleistung für die Heilmittelanwendungen in Höhe von 121,50 Euro erhalten Sie in den nächsten Tagen auf Ihr Konto.
Die Frage
Kann sich der Kunde jetzt auf 121,50 Euro freuen?
Die Antwort
Mitnichten. Die Versicherung meinte nämlich mit dem Satz:
Eine Nachleistung für die Heilmittelanwendungen (die wir bereits abgerechnet haben – die 121,50 Euro haben Sie bereits erhalten), überweisen wir Ihnen in den nächsten Tagen auf Ihr Konto.
Die Lösung
Eine noch etwas elegantere Textversion könnte so lauten:
Sie haben eine Leistung für Heilmittelanwendungen in Höhe von 121,50 Euro bereits erhalten. Eine Nachleistung (in Höhe von 38,50 Euro) erhalten Sie in den nächsten Tagen auf Ihr Konto.
Im konkreten Fall hatte der Kunde drei Mal innerhalb von 14 Tagen angerufen, weil er die Rückerstattung nicht auf seinem Konto vorfand. Der Versicherung war nicht klar, wo der Kunde sein Problem hatte.
Fazit
Mit eindeutigen und klaren Formulierungen hätte die Krankenversicherung sich und dem Kunden viel Zeit und Geld (und Ärger!) erspart.
III. Gestörte Kundenkommunikation II
Das hätte sich die Werbeagentur sparen können …
Das Beispiel
So sparen Sie sich Ihre Mastercard-Jahresgebühr
- bequemes Bezahlen weltweit
- heute einkaufen – bis zu vier Wochen später bezahlen
- kostenlose und kurzfristige Kreditlinie
- Bezahlen im Internet
Die Frage
Haben bei dem Text oben die 4 Unterpunkte eigentlich einen direkten Bezug zur Überschrift?
Die Antwort
Natürlich nicht: “Bequemes Bezahlen weltweit” ist keine Methode, sich die MasterCard-Jahresgebühr zu sparen. Das gilt auch die anderen 3 Punkte. Und Überschriften sind eben “Zusammenfassungstexte”: sie fassen den Inhalt des folgenden Textes zusammen.
Fazit
Hier wurde ein falsches Spiel mit den Erwartungshaltungen der Kunden gespielt. Einige unserer Versuchspersonen fanden das ärgerlich. Damit verfehlt ein solcher Flyer natürlich seinen Werbezweck. Solche Texte können sich geschäftsschädigend auswirken.
IV. Verwirrende Anleitungen
Nur wer Sätze gut gliedert, erklärt auch gut
Das Beispiel
Wird bei der Diagnose des Abstandsmessers beim Auslesen der Messwerteinheiten 1 und 2 (Sensorabstand) immer der Wert 213 cm angezeigt, unabhängig vom tatsächlichen Abstand zum Hindernis, so wird die Diagnose mit dem Testgerät Mishti 520 durchgeführt oder auf dem Mishti-Compound-Tester die aktuelle Softwareversion installiert.
Die Frage
Lassen sich lange und syntaktisch komplexe Sätze wie dieser problemlos verstehen?
Die Antwort
In einer unserer Untersuchungen mussten manche Versuchspersonen den Text zwei oder drei Mal lesen, um ihn zu verstehen. lingua@MEDIA diagnostizierte folgende Probleme:
- Der Satz umfasst 46 Wörter, die im Kurzzeitgedächtnis zu verarbeiten und zu merken sind. Die Obergrenze sollte im Allgemeinen bei höchstens 20 Wörtern liegen.
- Der Leser muss sich insgesamt 7 gedankliche Komplexe merken. Das ist viel zu viel auf einmal.
- Der Satzteil “Wird” bis “angezeigt” weckt die Erwartung: “Was ist dann? Was soll ich dann tun?” Wider Erwarten kommt aber eine Einschränkung: “unabhängig vom tatsächlichen Abstand zum Hindernis”, so dass der Gedankenfluss unterbrochen wird und eine weitere gedankliche Einheit gespeichert werden muss.
- Das geschieht auch bei Klammerausdrücken wie (“Sensorabstand)”.
- Im 2. Teil des Satzes wird das Passiv verwendet (“ist durchzuführen” / “ist zu installieren”). Dadurch wird verschleiert, dass es hier um eine Aufforderung zum Handeln geht.
In der Erhebung las ein Mechaniker den Satz drei Mal. Auf unsere Frage, warum, kommentierte er: “Das ist komisch geschrieben. Das versteht man nicht gleich. Das ist … ja, ich finde, das ist ürgendwie nich für Menschen geschrieben.”
Die Lösung
Wir haben diesen Text vereinfacht, so dass er in dieser Version gut verstanden wurde:
- durch eine Überschrift (in größerer Schrift und fettgedruckt)
- durch eine Reduzierung der Zahl der Wörter pro Satz
- durch eine Aufzählung (Bullet Points)
- durch typografische Trennung von “Diagnose” und “Therapie”, und durch
- einen Zeilenwechsel erst am Ende von Satzeinheiten (was das Verstehen erleichtert).
- Und schließlich verwenden wir nicht das Passiv (“wird durchgeführt”), sondern wir sprechen den Mechaniker an und sagen ihm ganz konkret, was er tun soll (“Ergreifen Sie bitte …”).
Wenn der Abstandsmesser nicht funktioniert
Beim Auslesen der Messwerteeinheiten 1 und 2 (Sensorabstand) wird immer der Wert 213 cm angezeigt, und das unabhängig vom tatsächlichen Abstand zum Hindernis. In diesem Fall ergreifen Sie bitte eine der folgenden Maßnahmen:
- Führen Sie die Diagnose mit dem Testgerät Mishti 520 durch oder
- installieren Sie auf dem Mishti-Compound-Tester die aktuelle Softwareversion.
V. Auch in Texten geht manchmal alles durcheinander
Das zeigt die folgende Nachricht aus dem Tagesspiegel:
Weil der Markt in Deutschland annähernd gesättigt ist, erwägt das Unternehmen die Expansion ins Ausland. Hier sieht der Printus-Chef kein großes Potential mehr: Etwas intensiver wird in Offenburg derzeit jedoch über die Option der Auslandsexpansion nachgedacht. Als Versandhändler könne man jedoch nicht einfach den Katalog in eine andere Sprache übersetzen und neue Preise reinschreiben. “Man muss im Ausland immer bei Null anfangen.”
Die Frage
Wo ist das Problem beim Verständnis dieses Textes?
Die Antwort
Anscheinend fällt dem Chef dieser Firma die Entscheidung “Deutschland – Ausland” wirklich nicht leicht. Der Text schwankt jedenfalls zwischen beiden Themen hin und her, und zwar ohne auf eine logische Abfolge der Gedanken zu achten:
- Der erste Satz endet mit dem Satzteil “ins Ausland”. Der folgende Satz beginnt mit “hier” und suggeriert, dass “hier” sich auf “Ausland” bezieht (die Unterstreichung durch lingua@MEDIA). Tatsächlich aber ist “Deutschland” gemeint. Der Sinn-zusammenhang (Fachausdruck: die Kohärenz) ist gestört.
- Satz 3 (“etwas intensiver”) ist überflüssig, da der Gedanke bereits im 1. Satz geäußert wurde.
- Das zweimalige “jedoch” in Satz 3 und 4 wirkt unbeholfen und “nicht zu Ende gedacht”.
Eine mögliche Lösung
Das Unternehmen erwägt die Expansion ins Ausland, weil der Markt in Deutschland annähernd gesättigt ist. Hier (in Deutschland) sieht der Printus-Chef kein großes Potential mehr. Andererseits weiß der Versandhändler natürlich: “Man muss im Ausland immer bei Null anfangen.” Zum Beispiel könne man nicht einfach den Katalog in eine andere Sprache übersetzen und neue Preise reinschreiben.
Fazit
Der Textautor muss auch über einen Satz hinausdenken. Denn wenn die logische Abfolge der Gedanken nicht stimmt, hat der Leser ein Problem. Und das sollten wir ihm ersparen!